Philosophie – im Dialog und im Bild

Der Text und die Schrift

Vor etwa dreieinhalb Jahr­tausenden gab es eine Kultur­revolution. Man nutzte Bilder, mit denen man bis dahin Dinge gekennzeichnet hatte, als Stell­vertreter für einen einzelnen Laut. Mit zweiund­zwanzig Zeichen (im phönizischen Kultur­kreis) ließ sich nun alles Gesprochene visuell mani­festieren. Der Philosoph Platon betrachtete diese Errungen­schaft skeptisch. Ganz anders eine Reihe religiöser Strömungen im Judentum: Für sie sind die Buch­staben Manifestationen des Gött­lichen, Ursprung der Schöpfung.
Ein Unter­scheidungs­merkmal für die klassischen Religionen wie auch moderne Kulturen ist, wie stark sie Text­kultur oder Bild­kultur sind.
Von der Spannung zwischen Text und Bild leben auch Kalli­grafie und Typo­grafie, die durch die Gestal­tung der Schrift den Text um sinn­lich erfahr­bare Bedeutungs­aspekte erweitern.

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Ein Feld in Anatot (Jer 32,7)
Ein Feld in Anatot (Jer 32,7); Öl auf Leinwand, 140 x 120 cm

„Kauf dir mein Feld in Anatot!“
(קנה לך את-שדי אשר בענתות / K’nei lecha ät sadi ascher ba-anatot) – Dieses Angebot erhält der Prophet Jeremias in einer Situation, in der die Feinde kurz davor stehen, die Stadt und das Umland und damit auch das Feld in Anatot zu erobern. Scheinbar gegen jede Vernunft geht Jeremias auf das Angebot ein und vollzieht in aller Form den Kaufakt. Das Bild ist gedacht als Mittelpunkt eines geplanten Ensembles mit dem Text der Bibelstelle in verschiedenen Sprachen und Schriften.

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Den Verkauf tätigt Jeremias in seinem unerschütterlichen Vertrauen in den Ewigen als Herr der Geschichte ist: Dieser wird den Sieg der Feinde wieder rückgängig machen und er, Jeremias, wird sein Feld bestellen können.
Der Schriftzug der Aufforderung zum Kauf durchläuft im Bild unterschiedliche Farbfelder und nimmt verschiedene Farben an. Dadurch soll es die Hoffnung, die auch die schlimmsten Katastrophen und Zustände von Verzweiflung durchsteht, visualisieren. Die politische Dimension soll durch eine Reihe von Bildtafeln zum Ausdruck kommen, die jeweils den gesamten Textabschnitt Jer; 32, 6-15 in verschiedenen Schriften und Sprachen enthalten, die bestimmte Epochen bzw. Länder repräsentieren.
Geplant ist eine Installation mit dem Bild im Zentrum, flankiert von den ebenfalls in großformatige Ölbilder umgesetzten Textblättern. Dabei sollen die Übersetzungen (Griechisch, Latein, moderne Sprachen) in rechtsläufigen Schriften auf der linken, die hebräischen (Althebräisch bis kursives Ivrit) linksläufigen Texte auf der rechten Seite stehen.



Jer 32,6-15  althebräisch 8. Jh. (Bildentwurf)
Jer 32,6-15 althebräisch 8. Jh. (Bildentwurf); Acryl auf alterungsbeständigem Pergamentpapier, 50 x 35 cm

Dieser Entwurf für ein Bild auf der rechten Seite zeigt den Text Jer 32,7 in einer althebräischen Schrift aus dem 8. Jh. v. Chr., die nahezu mit der phönizischen Schrift identisch ist.


Jer 32,6-15  aschkenasisch 12. Jh. (Bildentwurf)
Jer 32,6-15 aschkenasisch 12. Jh. (Bildentwurf); Acryl auf alterungsbeständigem Pergamentpapier, 50 x 35 cm

In diesem Blatt erscheint der Text Jer 32,7 in einer hebräischen Buchschrift des 12. Jh. n. Chr.


Jer 32,6-15  lateinisch (Bildentwurf)
Jer 32,6-15 lateinisch (Bildentwurf); Acryl auf alterungsbeständigem Pergamentpapier, 50 x 35 cm

Hier wird Jer 32,7 in lateinischer Übersetzung (Vulgata) und einer spätantiken Schrift (Capitalis quadrata) wiedergegeben.


Leitkultur
Leitkultur; Aquarell und Acrylfarbe, 40 x 30 cm

Eine Zeile mit deutscher Schrift (Kurrent) – wie ist sie uns so vertraut!


Brecht: Erinnerung an die Marie A.
Brecht: Erinnerung an die Marie A.; Pastell und Graphitstift auf Zeichenpapier, 64 x 42 cm

Das 1920 entstandene Gedicht Erinnerung an die Marie A. von Bertolt Brecht ist eine äußerlich nüchterne Darstellung, im Kern eine melancholische Klage über das Vergehen der Liebe.

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Es beginnt mit der Schilderung des Dichters, wie er an einem Septembertag unter einem Pflaumenbaum die Geliebte im Arm hält, und über ihnen „War eine Wolke, die ich lange sah / Sie war sehr weiß und ungeheuer oben / Und als ich aufsah, war sie nimmer da." Inzwischen kann er sich nicht mehr an ihr Gesicht und seine Liebe zu ihr erinnern. Nur die Wolke ist in seinem Gedächtnis geblieben und erinnert ihn daran, dass er die Frau damals küsste.



Man muss mit der Zeit gehen
Man muss mit der Zeit gehen; Aquarell und Acrylfarbe, 48,5 x 34,9 cm

In welche Richtung geht man mit der Zeit?


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