Philosophie – im Dialog und im Bild

Vom guten Leben

Wünschen wir uns nicht alle ein gutes Leben? Doch was heißt hier „gut“ – ein Leben im Reichtum, mit Erfolg und Anerkennung – oder eher ein Leben in Ein­klang mit uns selbst, ohne moralische Kompromisse? – oder ein bescheidenes Leben in Über­ein­stimmung mit der Natur? Kann ich ein gutes Leben führen, wenn die Ver­hältnisse um mich herum nicht danach sind?
Wenn der Tag kommt, an dem ich zurück­schaue – welche Werte gehen in die Bilanz ein?
Und nicht zuletzt – wie können wir uns über die techno­logischen und politischen Ziele verständigen, die ein gemein­sames gutes Leben ermöglichen?

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Adorno: … kein richtiges Leben
Adorno: … kein richtiges Leben; Linolschnitt auf Bugra-Bütten, 42 x 30 cm
Auflage: 9 von 100

Das Zitat stammt aus dem 1951 erschienenen Buch Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben von Theodor Wiesengrund Adorno (1903–1969).

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Er knüpft an die philosophische Tradition der Lehre vom richtigen Leben an und fällt für seine Zeit ein vernichtendes Urteil: Was früher gutes Leben war, ist „zur Sphäre des Privaten und dann bloß noch des Konsums geworden“. In § 18, Asyl für Obdachlose, spielt er die These am Beispiel des Wohnens und des Privateigentums durch. Welche Haltung man auch dazu einnimmt – er sieht keine tragfähige Lösung, und so endet der Abschnitt mit dem resignativen „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Indem wir den Gedanken nachvollziehen und ernst nehmen, brechen wir auf, das richtige Leben in den falschen Umständen möglich zu machen.



Rose Ausländer: Heller
Rose Ausländer: Heller; Öl auf Leinwand, 100 x 70 cm

„Nur der Schatten / blieb / als das Licht / verloren ging // Im Dunkel / träumt es sich / heller“

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Ein – durch finstere Mächte aufgezwungen – unvorstellbar schlechtes Leben als Rückzugsort und Chance für einen erhofften Neubeginn. Die Autorin dieses auf den ersten Blick paradoxen Textes, Rose Ausländer, wurde 1901 in Czernowitz in der Bukowina geboren. Lebensstationen waren: Wien, wieder Bukowina, Wiona (USA), New York, Rückkehr nach Czernowitz, wo sie der Judenvernichtung durch die SS entgeht, Übersiedlung nach Bukarest, wieder New York, wieder zurück nach Europa; 1988 stirbt sie in Düsseldorf.



Selbstverwirklichung?
Selbstverwirklichung?; Frottage mit Schriftzug, Bleistift und Pastell, 40 x 28,6 cm

Das oftmals als ungebrochen positiv gewertete Konzept der Selbstverwirklichung wurde von dem Soziologen Gerhard Schulze der Kritik unterzogen.

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Was er in seinem Buch über die Erlebnisgesellschaft entfaltet, hat schon der Soziologe Max Weber vor etwa hundert Jahren das Problem angesprochen: Unter Rückgriff auf ältere philosophische Gegenüberstellungen von ästhetischer und ethischer Lebensführung stellt er dem Konzept, das eigene Leben zum Kunstwerk zu machen, das Postulat gegenüber: „Persönlichkeit … hat, wer der Sache dient.“



Homo Faber
Homo Faber; Aquarell, 40 x 30 cm

Spätestens seit dem gleichnamigen Roman von Max Frisch ist „Homo Faber“ ein geläufiger Begriff – umgangssprachlich „Macher“.

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Der französische Philosoph Henri Bergson (1859–1941) sah in seinem 1907 erschienenen Werk L'Évolution créatrice (Schöpferische Entwicklung, 1921), die menschliche Intelligenz vor allem auf die Schaffung von Werkzeugen ausgerichtet. Deshalb schlug er vor, den Menschen unserer Entwicklungsstufe nicht mehr als „homo sapiens“, sondern als „homo faber" (Dt. S. 144) zu bezeichnen. Max Frisch hat in seinem Werk das moderne Unbehagen am Konzept des Homo Faber, des Technikers, der die Welt uneingeschränkt gestalten kann, zum Ausdruck gebracht.



Pablo Picasso: On met longtemps à devenir jeune. / Man braucht sehr lange, um jung zu werden.
Pablo Picasso: On met longtemps à devenir jeune. / Man braucht sehr lange, um jung zu werden.; Acrylfarbe auf Aquarellpapier, 40 x 30 cm


innehalten
innehalten; Acrylfarbe und Aquarellstift auf Aquarellpapier, 40 x 30 cm


Hiob starb alt und lebenssatt. (Hi 42,17)
Hiob starb alt und lebenssatt. (Hi 42,17); Aquarell und Tempera auf Aquarellpapier, 40 x 30 cm

Die Wendung „und er starb lebenssatt“ kommt mehrfach in der Bibel vor, u. a. bezogen auf Abraham und Hiob.

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Der Soziologe Max Weber (1864–1920) hat in seiner Zwischenbetrachtung: Theorie der Stufen und Richtungen religiöser Weltablehnung hieran angeknüpft und den Gegensatz postuliert: Der moderne Mensch, der – modisch umformuliert – unter dem Druck der Selbstverwirklichungsoptionen steht, kann nicht mehr lebenssatt, sondern höchstens lebensmüde sterben.



David le Breton: Gehen
David le Breton: Gehen; Acrylfarbe auf Aquarellpapier, 40 x 30 cm

David Le Breton beginnt seinen Essay „Lob des Gehens“ mit der Eröffnung eines Horizonts: „Das Gehen ist Öffnung zur Welt…

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… Es versetzt den Menschen zurück in das glückselige Gefühl seiner Existenz. Es lässt ihn in eine aktive Form der Meditation eintauchen und bedarf all seiner Sinne. Manchmal kehrt man verändert zurück, eher geneigt, die Zeit zu genießen, als sich den maßgebenden Dringlichkeiten unseres zeitgenössischen Daseins zu unterwerfen.“



Nietzsche: Gedanken und freie Bewegung
Nietzsche: Gedanken und freie Bewegung; Acrylfarbe auf Aquarellpapier, 40 x 30 cm

... keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung

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Friedrich Nietzsche, der die Vernunft des Leibes pries, untersucht in Ecce Homo, im Kapitel Warum ich so klug bin den Zusammenhang zwischen Denken und Ernährung. Am Ende des ersten Abschnitts fügt er hinzu: „So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung – in dem nicht auch die Muskeln ein Fest feiern. Alle Vorteile kommen aus den Eingeweiden. – Das Sitzfleisch – ich sagte es schon einmal – die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist. –“



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